Achern

                                                                          Der Erste Weltkreig erreicht die Heimatfront Achern



Mit der Eintragung in die Stammrolle begann das Jahr 1914  wie die Jahre zuvor.  Vom 2. bis 15. Januar 1914 mussten sich alle jungen Männer aus dem Amtsbezirk Achern, die in diesem Jahr das 20. Lebensjahr erreichten, im Polizeibüro auf dem Rathaus zu Achern melden, um sich in die Stammrolle für den Militärdienst eintragen zu lassen. Dafür ließ Bürgermeister Schechter im Acher- und Bühler Boten die Bekanntmachung ausschreiben. Wer der Aufforderung nicht folgte, dem drohte eine Geldstrafe bis zu 30 Mark oder als Ersatz 3 Tage Haft.

 Diese Prozedur fand Anfang jeden Jahres, gemäß Paragraf 25 der Wehrordnung, für den auf das 20. Lebensjahr nachrückenden Jahrgang statt. Die Jung-Männer stiegen auf in die „stolze“ Kategorie der bei der Heimat-Gemeinde registrierten Militärpflichtigen. Dieses Verfahren hieß „Ersatzgeschäft“ und in kurzer Zeit wusste die deutsche Heeresleitung zumindest auf dem Papier, mit welchen militärische Reserven sie landesweit pauschal rechnen konnte. Anfang 1913 hatten sich im gesamten Kaiserreich 587888 junge Leute in die Stammrollen eingeschrieben, über die 1914-ger Zahlen fehlen durch die kommenden Kriegs-Ereignisse genau Zahlen. Vermutlich wurden die Daten schon geheim gehalten.

 Die jungen Leute vom Turnverein oder aus den Handwerksbetrieben Acherns sahen der Einschreibung in die Stammrolle recht gelassen entgegen. Schließlich waren die Pfade der Rekrutierung verschlungen und lang. Nach der Stammrolle folgten die persönliche Musterung (auf physische und psychische Eignung) und danach die Losung. Denn die Anzahl der Militärtauglichen überstieg in Friedenszeiten bei Weitem der Zahl derjenigen Soldaten, die in der Armee wirklich gebraucht wurden. Und so entschied über die Einberufung zunächst mal das Los. Eine hohe Loszahl, die man am Ende der Musterung auf dem Losungsschein mit nach Hause nahm, schob den aktiven Wehrdienst in weite Ferne.

 Wen das Los aber traf, für den begann im Oktober eines Jahres der aktive Wehrdienst in den Ersatzbezirken des jeweiligen Armeekorps. Die Turnerschaft verabschiedete ihre Jungs würdig, veranstaltete für die Acherner Rekruten einen geselligen Abend im „Tivolie“ oder in anderen Lokalen der Stadt. In der Früh am 1. Oktober brachten dann die Acherner Eltern ihre  „müden“ Söhne zum Bahnhof. Tränen zum Abschied gabs schon mal.

 Über die Zuweisung zu einem bestimmten Truppenteil entschieden letztendlich die Ober-Ersatzkommissionen, die konkrete personenbezogene Daten (Körpergröße, Muskelkraft, Belastbarkeit, Umgang mit Pferden, Farbentauglichkeit, technisches Verständnis usw.) auswerteten. Der kleinste Rekrut musste mindestens 1,54 m groß sein und konnte mit diesem Maß bei den Jägern und Schützen oder bei der Infanterie dienen. Auch war die Dauer der Dienstpflicht unterschiedlich: bei der Kavallerie und reitenden Artillerie 3 Jahre, bei den Trains 1-2 und bei allen anderen Waffengattungen 2 Jahre.

 Das an sich geordnete Verfahren der Rekrutierung sollte bis zur Mobilisierung am 2. August 1914 bestand haben, wurde dann aber im ersten Kriegsjahr völlig aufgehoben, bevor die deutsche Heeresführung im Verlauf des Krieges darauf wieder aufbaute.


Mobilmachung – in Achern einen Tag früher?
 
 
Wie das politische Szenario zur Mobilmachung in Deutschland verlief, wissen wir aus den historischen Daten, es ging sozusagen Schlag auf Schlag mit den Informationen und doch sollte es in Achern anders laufen. Aber der Reihe nach: Am Freitag, den 31. Juli 1914, nachmittags rief der Kaiser Friedrich Wilhelm II. den „drohenden Kriegszustand“ über Deutschland aus. Dadurch ging die staatliche Gewalt auf die kommandierenden Generäle der Armeekorps über. Und um 16.30 Uhr hielt er vom Balkon des Berliner Schlosses eine patriotische Ansprache. Stunden später wurde die Meldung vom Kriegszustand in allen Orten ausgeklingelt. Einen Tag später, also am Samstag, den 1. August, ordnete der Kaiser die allgemeine Mobilmachung des deutschen Heeres und der Flotte an, das war genau um 17.15 Uhr. Dazwischen lag ein Ultimatum an Russland, auf das Zar Nikolai nicht mehr antwortete, im Gegenteil Russland mobilisierte. Die Weltlage hatte sich schlagartig geändert. 
Deshalb erhielten sämtliche Telegrafenstationen am 1. August 1914 gegen 18.30 Uhr von Berlin den Mobilmachungsbefehl mit dem Text: „Mobilmachung befohlen, erster Mobilmachungstag der 2. August. Dieser Befehl ist sofort ortsüblich bekannt zu machen. Reichs-Postamt.“ 
In Achern überschlugen sich die politischen Ereignisse und zwar aus folgendem Grund. Der ABB hatte bereits am 31. Juli mit einem Extrablatt die Mobilmachung, versehentlich anstelle der Nachricht vom „drohenden Kriegszustand“, bekannt gegeben. An welcher Stelle der Nachrichtenübermittlung es gehakt hatte, wurde nicht bekannt. Tatsache war, dass also einen Tag früher die Mobilmachung ausgerufen wurde in Achern. Also der ABB war schneller, denn der Kaiser verkündete seine militärische Entscheidung erst einen Tag später am Samstag. 
Und so trieb es mit dem Extrablatt die Bürgerschaft bereits am Freitag aus den Häusern, die aufgeregten Menschen standen auf Straßen und Plätze beieinander. Am Abend füllten sich die Gasthäuser Zum Ochsen oder Zum Engel u. a. und spontan liefen junge Männer auf die Straße und mit Hochrufen bejubelten sie den Kaiser. Eine ähnlich aufgewühlte Atmosphäre zeigte sich auch am Sonnabend in Achern und Umgebung. An diesem Tag herrschte ein anhaltender und reger Straßenverkehr in der Stadt. Unzählige Autos, Lastkraftwagen und verschiedenste Fuhrwerke durchfuhren die Straßen, sie fuhren in nördlicher und südlicher Richtung, egal ob Urlauber, Geschäftsleute oder Saisonarbeiter, sie alle hatten nur ein Ziel: sie strebten zu ihren Familien. 
Am Sonntagvormittag waren dann die Gottesdienste in Unserer lieben Frauenkirche und in der Christus-Kirche dicht besetzt, die Leute drängten sich auf den Plätzen und verfolgten gespannt die ersten Kriegspredigten von Dekan Huck und Pfarrer Spitzer. Dann am Nachmittag soll eine beängstigende Totenstille in der ganzen Stadt geherrscht haben. Fenster und Türen der Häuser waren verschlossen. Nur der Bahnhof zeigte sich rege belebt mit jungen Männern, die mit dem Gestellungsbefehl zu ihren Sammelstellen fuhren und in ihrem Gefolge die Familien mit sich führten.
Am Montag, den 3. August wurde im ABB der Zeitpunkt der Mobilisierung vollständig richtig gestellt, doch längst war der Befehl in allen Ortschaften des Amtsbezirks Achern an den Bürgermeistereien und Kirchen öffentlich angeschlagen worden. 
Die Oberste Heeresleitung (OHL) gab 10 Mobilisierungstage vor, entsprechend der militärischen Dringlichkeit und Logistik, die wohl längst ausgearbeitet und streng geheim gehalten war. Am 1. Mobilisierungstag (2. August) hatten sich die Beurlaubten der aktiven Einheiten an ihren Garnisonsorten einzufinden. Danach wurden die Reservisten einberufen, gefolgt vom Landsturm. 
Trotz aller Kriegs-Planung (Schliefen-Plan 1906), trotz aller politischen Logik und militärischer Notwendigkeit der Krieg war zeitlich unverhofft über die Menschen gekommen. Sämtliche Lebenspläne der Menschen wurden mit einem Schlag zunichte gemacht. Da waren Leute noch im Ausland im Urlaub, die nun schnellstens nach Hause wollten und mussten. Da gab es junge Liebespaare, die lange schon ihr Hochzeits-Aufgebot bestellt hatten und dieses Weihnachten sollte in Familie geheiratet werden. Doch die Kriegsmühle war einmal in Gang gesetzt worden, da bestimmten bereits amtliche Ausnahmereglungen den Alltag. In der ersten Kriegswoche gab das Amtsgericht Achern bekannt, das für Eheschließungen bei den einberufenen, verlobten Wehrpflichtigen auf das Aufgebot verzichtet wird. Auf diese Weise wurde eine schnelle Heirat vor dem Antritt zum Kriegsdienst möglich und man sprach erstmals von Nottrauungen und der „Kriegsheirat“. Auch für junge Leute, die kurz vor ihrem Studium - Abschluss standen, gab es Sonderreglungen. Die Technische Hochschule Karlsruhe ließ Notprüfungen für deutsche und österreichische Gestellungspflichtige zu. Den Schülern von Achern und Umgebung wurden die Ferien verlängert, damit die Mädchen und Jungen auf den Dörfern beim Einbringen der Ernte helfen konnten. 
Auf die Mobilmachung hin erhielten bereits in den ersten Tagen viele gemusterte Männer den Gestellungsbefehl, es hieß für die einberufenen Soldaten Abschied nehmen von Frau und Kindern, von Eltern, von Freunden. Alle erfüllte die große Sorge um einander und um das Land, da die Front ja quasi vor der eigenen Haustür stand. Für den 9. August rief der evangelische Oberkirchenrat Badens einen allgemeinen Bettag ein.
Bereits nach 2 Wochen Krieg wurden die ersten Gefallenen in Achern und Umgebung beklagt. Am 20. August 1914 starb an der Westfront der erste Acherner Bürgersohn. Der Krankenwärter David Hauß, der in der Illenau arbeitete und wohnte, ließ mit 31 Jahren sein Leben im Gefecht bei Delme im Reichsland Elsass-Lothringen als Soldat vom Reserve-Infanterieregiment Nr. 109 in der 9. Kompanie. Am selben Tag fiel an der Front aus Obersasbach Leutnant Wilhelm Roeder Freiherr von Diersburg.


Militärfahrplan – eiserne Rösser rollen
 
 
  Deutschland ging in den europäischen Krieg fast zeitgleich an zwei Fronten, im Westen gegen Frankreich, England und im Osten gegen Russland, was für den Aufmarsch eine große Transportlogistik erforderte. Für den gewaltigen Aufmarsch von 7 deutschen Armeen an der Westfront mussten viele militärische Einheiten weite Wege aus dem Inneren des Landes zurücklegen, um schnell und reibungslos an die Front zu gelangen. Am Rhein wurde ein Aufgebot von insgesamt 1500000 Mann gebraucht, während die Ostfront zunächst nur 500000 Soldaten erforderte. Die Eisenbahn wurde für den Aufmarsch als das Haupttransportmittel eingesetzt und in den ersten Wochen weitgehend der zivilen Nutzung entzogen. 
Am 4. August 1914 gab der ABB bekannt, dass die Bahn bis auf Weiteres keine zivile Personen und Güter mehr befördert, denn in der Nacht vom 2. und 3. August war der Militärfahrplan in Kraft getreten. Auf der Hauptlinie Karlsruhe-Basel, mit den Anschlussstrecken über den Rhein, fuhren bereits mit Bekanntmachung des „drohenden Kriegszustandes“ am 31. Juli kaum noch Personenzüge. Die Westgrenze war mit Ausrufung des „drohenden Kriegszustandes“ zu und Ausländer hatten kaum noch Chancen in Richtung Basel aus Deutschland herauszukommen. Allerdings wurde auf einigen badischen Neben- und Zweigbahnen von nichtmilitärischem Interesse ein beschränkter „Militär-Lokalzugs-Fahrplan“ gewährt, mit dem beispielsweise auch die Milchbelieferung für Achern gewährleistet werden sollte. 
Die Vorbereitung der Kriegsszenerie spielte sich inmitten des Alltags der Menschen ab. Da rollte in Achern vom 3. bis zum 6. August durchgehend Zug an Zug an der Station vorbei, tage- und nächtelang dröhnte es dumpf von den Gleisen. Auf der Hauptbahn zwischen Karlsruhe und Freiburg fuhren diese Militärzüge nacheinander fast gespenstisch mit einer reduzierten Geschwindigkeit von 20 km/h im 30-Minutentakt. Die gedrosselte und gleichmäßige Geschwindigkeit der Züge bot die Gewähr für einen reibungslosen Verlauf des Bahnverkehrs. So konnten mögliche Zwischenfälle, wie Zugverspätungen, rasch wettgemacht und etwaige Unfälle vermieden werden. Mitunter hielt ein Zug in Achern an und doch wusste niemand so recht warum, denn es stiegen Soldaten weder ein noch aus. An den Waggons zeigten Kreideschriften der enthusiastischen jungen Männer, wohin die Fahrt ging: „Auf nach Paris“, „Immer feste drauf“, „Jeder Tritt, ein Britt, Jeder Stoß - ein Franzos, Jeder Schuß - ein Ruß“ u. a.
 Die vollen Militärzüge waren beladen mit feldgrauen Männern, Pferden, Material, Munition, Fuhrwerken und Automobilen usw. Sie fuhren zu den militärischen Sammelstationen der 6. Armee bis nach Freiburg oder weiter zur schweizerischen Grenze nach Lörrach. Dort wurden die Truppenteile neu formiert, erweitert, ausgerüstet und zu Fuß an die Frontplätze fort geschickt. Andere Militärtransporte aus den entfernten nördlichen und östlichen Regionen Deutschlands hatten nach Fahrten von über 70 Stunden die Festungen Straßburg und Metz, wo die 7. Armee lag, zum Ziel. Für sie war der Bahnhof Appenweier ein Zielort und Hauptetappenort im Militärfahrplan. Appenweier galt für den Aufmarsch als eine wichtige Drehscheibe in das Elsass und nach Lothringen über Kehl nach Straßburg-Zabern-Saarburg, der bis zum 6./7. August abgeschlossen war.
  Nach dem 12. August (nach der Eroberung des Sundgaus durch die Deutschen) herrschte in Appenweier und auch in Achern erneut Hochbetrieb auf den Schienen, denn die Hauptkriegsoperationen verschoben sich jetzt wieder nördlich nach Lothringen zu, was schnelle Truppenverlagerungen notwendig machte. 
In Achern wartete eine bayrische Ersatzdivision zur Verstärkung der 6. Armee auf den Abtransport. Auf der Achertalbahn waren inzwischen Wagenreserven bereitgestellt und mit Munition, Vorräten beladen worden, um sie über Appenweier ins Kriegsgebiet abtransportieren zu können. Die letzten Transporte dieser Truppenverschiebung erreichten am 18. August ihr Ziel.
  Die Bahn unterlag während der ganzen Mobilmachung dem höchsten Sicherheitsprinzip, was auch im weiteren Kriegsverlauf sich nicht viel ändern sollte. Zum bewaffneten Schutz der Gleise, Züge und der Bahnhöfe Appenweier und Achern wurden aus dem (älteren) Landsturm Bahnschutztruppen eingesetzt, Zivilpersonen war jeglicher Zutritt zu den Bahnanlagen (außer direkter Zugang zu den Bahnhöfen) verboten. Der Gemeinderat Achern verbot später am Bahnhof im Umkreis von 500 Metern den Verkauf von Alkohol, damit einheimische Gestellungspflichtige oder durchfahrende Mannschaften aus einem haltenden Zug nicht Bier und Schnaps konsumieren konnten. 
Was für den Schienenverkehr während der Mobilmachung geregelt war, galt ähnlich auch für den Straßenverkehr. Das Bezirksamt Achern ließ in der Zeitung bekannt geben: „Es wird dringend aufgefordert, die öffentlichen Straßen bei Tag und Nacht für den militärischen Fuhrwerks- und Kraftwagenverkehr freizulassen“. Der zivile und wirtschaftliche Straßenverkehr durfte nicht zum Hindernis für das Militär werden. Es war einstweilen vorbei mit dem ruhigen Abladen der Waren vor den Geschäften und Gastwirtschaften. Bierkutscher, Holz- und Kohlenhändler, sowie Obst- und Gemüsehändler hatten sich mit ihren Wagen dem Militärverkehr zu fügen. 
 Ab dem 23. August 1914 trat erstmals zum Militärfahrplan ein Normalfahrplan für den zivilen Personen- und Güterverkehr hinzu. Allerdings auf der Hauptbahn zwischen Freiburg und Heidelberg zunächst nur mit einem Schnellzugpaar und zwischen Freiburg und Karlsruhe mit 3 Personenzugpaaren am Tag. Die Achertalbahn erhielt als Verbesserung zu den beiden Morgen- und Abendzügen einen Mittagszug. Reisende mussten aber über die anhaltenden Kriegsjahre mit erheblichen Einschränkungen zurechtkommen.

 Am 22. August 1914 erließ der Kaiser eine Kabinettsorder, in der es hieß: „Mobilmachung und Versammlung des Heeres an den Grenzen sind vollendet. Mit geradezu beispielloser Sicherheit und Pünktlichkeit haben die deutschen Eisenbahnen die gewaltige Transportbewegung ausgeführt.“


Pferde für den Krieg

 

Im 1. Weltkrieg sollte die deutsche Kavallerie mit ihren Dragonern, Musketieren, Ulanen, Jägern zu Pferden oder Kürassieren in den Kampfhandlungen eine wichtige strategische Rolle spielen. Am Ende war der Blutzoll für die Pferde immens: Allein auf deutscher Seite wurde ein Verlust von etwa einer Million Rösser angegeben.

 Das badische XIV. Armeekorps operierte in der 8. und 28. Division mit Kavalleriebrigaden, die anfangs in den Eroberungskämpfen an vorderster Front und im Kugelhagel zum Einsatz kamen. In diesem Krieg wurde noch die Attacke mit blank geputzten Säbeln geritten. Am 9. August 1914 veröffentlichte das Hauptquartier der Obersten Heeresleitung in Berlin die erste Verlustliste aus den „Grenzschutzgefechten“: 26 Tote, 36 Verwundete, 7 Vermisste und 1 Gefangener. Unter den Gefallenen befanden sich die ersten drei Soldaten aus dem Großherzogtum Baden: Gefreiter Wilhelm Lenz (22 Jahre), Dragoner Paul Oskar Heinz und Gefreiter Schneider.

 In den blutigen Gefechten und auf Patrouillenritten starben viele Pferde und schwer verletzten Tieren musste der Gnadenschuss gegeben werden. In Feldpostbriefen an die Heimat ist dann zu lesen: „Mutter ich hab mein Pferd, einen treuen Kameraden, verloren, Gott sei Dank, ich bin wohl auf.“ Vielleicht schrieb solche Zeilen auch der Acherner Musketier Karl Kiest, der dann am 20. August 1914 an seinen Verletzungen in einem Lazarett in Straßburg starb.

 Von der Kavallerie und auch aus anderen militärischen Einheiten mit ihren Zug- und Transportpferden kam fast ständig der Ruf nach Ersatzpferden. Aber woher sollte diese große Anzahl Tiere fürs Militär aus dem Hinterland beschafft werden, wie wurde für Nachschub gesorgt und wie wurden die aufgerissenen Löcher an anderer Stelle, z. B. in der Landwirtschaft, wo sie unersetzlich schienen, wieder gestopft.

 Traditionell wurden Militärpferde auf Landesgestüten gezüchtet und zusätzlich von privaten Besitzern als Remonten aufgekauft und dann in militärischen Einrichtungen ausgebildet. Von Juli bis Oktober 1913 kaufte die Heeresverwaltung zum existierenden Heeresbestand deutschlandweit 21000 Pferde neu auf, gleich im folgenden Winter mussten durch Seuchenerkrankungen in den Ställen einige Verluste hingenommen werden. Vor Kriegsausbruch 1914 betrug dann der Gesamtbestand im deutschen Heer etwa 160092 Dienstpferde, wie Statistiken zeigen.

 Tatsächlich kam es im Herbst 1913 und Frühjahr 1914 in Baden zu strengeren Vormusterungen des privaten Pferdebestands, als sonst üblich. Darauf wurden die Leute mit Strafandrohung auf ihre Pflicht mehrmals in den Zeitungen hingewiesen. So ist im Achter- und Bühler Bote am 29. Oktober 1913 zu lesen: „Es wird erneut zur Kenntnis gebracht, dass die Vormusterung der Pferde und einzelner Wagen für die Stadt Achern am morgigen Donnerstag, den 30. Oktober vormittags 8 Uhr stattfindet. Aufstellungsplatz auf den Rennwiesen. Jeder Pferdebesitzer ist verpflichtet, seine sämtlichen Pferde zur Musterung zu stellen. Die Pferde müssen eine Stunde vor Musterung am Platz sein. Wer seine Pferde nicht vollzählig oder rechtzeitig vorführt, hat hohe Strafe zu gewärtigen.“ Die angereisten Militärexperten prüften die Pferde grundsätzlich auf ihre Kriegstauglichkeit und auf ihre spezielle Eignung hin: bei Reitpferden begutachteten sie für den Einsatz zur leichten oder schweren Kavallerie, Zug- und Stangenpferde für die Artillerie, Infanterie und für die Trains (Versorger). Natürlich gab es auch militäruntaugliche Pferde, wie Fohlen unter 4 Jahren, blinde Tiere oder und 1,50 m Bandmaß Höhe, sie wurden deutlich gekennzeichnet, der Hufschmied brannte ein Mal in Form eines eisernen Kreuzes auf den Oberschenkel ein.

 Die Resultate der Pferdemusterungen im Oktober blieben wohl ein militärisches Geheimnis, doch die Heeresverwaltung verfügte nun über eine Auflistung der vorhandenen und im Krieg einsetzbaren Tierreserve. Öffentlich bekannt gemacht wurde im ABB die reguläre Viehzählung zum 1. Dezember 1913: Achern hatte 126 Pferde, 5 Esel, 2 Farren, 7 Ochsen und 186 Stück Rindvieh. Gamshurst besaß 86 Pferde und 1062 Rindvieh. In Schwarzach hielt man 56 Pferde und 757 Stück Rindvieh. Fautenbach verzeichnete 84 Pferde.

 Mit der Mobilmachung und in jeder weiteren Kriegsphase konnten späterhin, nach den erlassenen Kriegsgesetzen, die fehlenden Pferde mithilfe der öffentlichen Aushebung (mit Kauf) im Hinterland beschafft werden. Die erste größere Aushebung von Pferden erfolgte in Achern zur Mobilmachung im August 1914 und die Pferde wurden beinahe so rekrutiert wie die Soldaten. Zwar zahlte das Militär dem Besitzer für jedes „ausgehobene“ Tier einen festgesetzten Geldbetrag, doch das Geld ersetzte den Bauern in Fautenbach oder Gamshurst nicht den Verlust an landwirtschaftlicher Arbeitskraft. Was tun ohne Pferde, die Lösung lag wohl auf der Hand, wie in alten Zeiten mussten dann Kühe und Ochsen daheim die Pflug- und Gespannarbeiten übernehmen. Das wurde von Kriegsjahr zu Kriegsjahr immer mühseliger und ebenso die Klagen darüber in der Zeitung. Und nie hörte der Pferdemangel beim Militär auf.

 Aber es gab mit Glück noch eine Alternative für die Landwirtschaft. Die Landwirte hatten für jedes Kriegspferd ein Schriftstück von der Militärverwaltung erhalten, das später nutzbringend sein konnte. Während des Krieges organisierte die badische Landwirtschaftskammer spontan Pferdeauktionen. In den Kämpfen leicht verletzte und wieder genesende Pferde wurden dem arbeitenden Landvolk zum Erwerb angeboten. In den Pferdelazaretten wiederhergestellte, aber für die Truppe nicht mehr taugliche Tiere, konnten Bauern im Besitz einer gültigen Abgabebescheinigung für sich ersteigern. Am 8. Mai 1915 warteten beispielsweise in Achern auf einem Platz vor dem Bahnhof 60 kriegsunbrauchbare Pferde auf ihren neuen Besitzer. Die Versteigerungspreise waren bar zu entrichten und Händler und Wiederverkäufer waren von der Versteigerung ausgeschlossen. Hin und wieder wurden auf anderen Pferdeauktionen in Sinzheim, Offenburg oder Achern auch Kriegsbeute angeboten, wie im Frühjahr 1915 „57 sehr gute belgische Fohlen im Alter von 2-4 Jahren“, die vermutlich für den Krieg noch zu jung waren.


Tollkühne Flieger- Tauben am Kriegshimmel

 

 Der Erste Weltkrieg begann an der Westfront ebenso wie vom Boden mit einem Krieg aus der Luft und das war ein neues Phänomen in der Kriegsgeschichte. Die deutsche Heeresführung meinte wie Frankreich und England für einen strategischen Luftkrieg gerüstet zu sein und hatte 1913/14 eine neue Kampfeinheit und Formation entwickelt: die Luftstreitkräfte mit gelenkten Luftschiffen (Zeppeline) und Motorflugzeugen (Luftschiffertruppe und Fliegertruppe).

 Luftschiffe und Motorflugzeuge waren den Achernern bereits vor dem Krieg bekannt und vertraut. Die neuesten Luftschiffmodelle des Grafen von Zeppelin überflogen Achern seit 1910, was die Leute regelrecht auf die Straßen trieb, um die fliegenden „Wale“ mit eigenen Augen zu sehen. Solch ein Ereignis wurde oft mit Zeitpunkt des Überfliegens im Acher- und Bühler Bote bekannt gegeben und im Nachhinein gabs einen Kommentar darüber, der stets in voller Bewunderung für das technische Phänomen ausfiel. Als im Norden von Achern 1910 im nicht weit entfernten Baden-Oos ein Flughalle mit Startplatz errichtet wurde, war man an den fliegenden Zeppelinen ganz nahe dran. Und südlich von Achern stieg die Schwarzwaldstadt Lahr im Jahr 1913 durch die Heeresvermehrung zur Luftschifferstadt auf, hier erfolgte die Stationierung einer Luftschifferkompanie und der Bau einer Kaserne ging dem voraus.

 Wie die Luftschiffe erhoben sich auch die ersten Motorflugzeuge vom Boden und jagten in der Luft nach sportlichen Rekorden: über den Ozean, über die Ostsee, nach der größten Höhe und nach der kürzesten Flugzeit zwischen bekannten Städten usw. Und dann gab es Schauflugveranstaltungen der Ein- oder Zweidecker wie in Achern auf den Rennwiesen. Die muntere Szenerie in der Luft begeisterte auch einen jungen Acherner, von dem der ABB berichtete. Den Sohn des Acherner Glasmachers Rapedius zog es nach Berlin. In der Reichshauptstadt gab es einen bekannten Hersteller für Motorflugzeuge und eine Flugtestschule dazu. Radepius bestand das Pilotenexamen, erwarb sich mit erfolgreichen Überlandflügen die ersten Sporen in der Luft und zählte bald zu den „tollkühnen Piloten“, zu den Fliegerassen der Hauptstadt. Er soll in einem Zweidecker stehend auf der Tragfläche eine halbe Stunde über Berlin geflogen sein.

 Nun kam der Krieg, aus der sportlichen Schau wurde bitterer Ernst. Die deutschen Fliegerpiloten wurden zunächst hauptsächlich zur Luftaufklärung eingesetzt, aus der Luft spähten sie die feindlichen Truppenbewegungen aus. Bald sahen sie sich aber auch schweren Luftkämpfen auf Leben und Tod mit feindlichen Fliegern ausgesetzt. Am 12. August 1914 fiel im Luftkampf der erste Offizier der deutschen Fliegertruppe, Leutnant der Reserve Reinhold Jahnow von der FFA 1. In den ersten beiden Kriegsmonaten wurden ca. 100 deutsche Flugzeuge abgeschossen und 52 Piloten fanden den Tod.

 Die südwestdeutschen Städte erfuhren feindliche Fliegerangriffe auf kriegswirtschaftlich wichtige Betriebe und Objekte, die neben hohen Sachschäden bald auch erste Ziviltote forderten. Am 14. Dezember 1914 warf die französische Luftwaffe Bomben auf die unbewaffnete Stadt Freiburg ab, dann auf Villingen und Ende Mai 1915 auf Mannheim. Die Menschen mussten eine bittere Erfahrung erleben, die es in keinem Krieg vorher gab. Denn die Kriegsfront konnte mit den modernen technischen Kampfmitteln nun in wenigen Minuten auch die Heimat erreichen. Angst und Schrecken verbreiteten sich unter den Menschen.

 Schon nach einem Monat Krieg wurde in der Zeitung ein Merkblatt veröffentlicht, um die eigenen deutsche Flugzeuge zu erkennen und sie von Feindfliegern unterscheiden zu können.

 Anfang Mai 1915 veranlasste die Stadt Achern auf Veranlassung des badischen Ministeriums für Kultus und Unterricht strenge Verhaltensregeln für die Schulen und Klassen bei feindlichem Fliegerangriff, worauf Alarmübungen mit den Schülern abgehalten wurden. Im Juli 1915 führte dann die Stadt Achern ein Warnsystem vor feindlichen Luftangriffen ein, über das der ABB am 12. Juli des Jahres aufklärte. Bei Gefahr vor feindlichen Luftangriffen stieß die Dampfsirene in der Champagnerfabrik Böhringer dreimal hintereinander ein lang gezogenes Signal aus. Nach Ertönen der Sirenen sollten die Leute in den Häusern oder, wenn vorhanden, in den Kellern Deckung suchen. Geschlossene Haustüren sollten für Einwohner, die Schutz suchten, geöffnet werden. Um Verwechslungen mit der Sirenenwarnmeldung gegen Fliegergefahr zu vermeiden, wurde die Sirene für den Gebrauch im alltäglichen Fabrikbetrieb abgeschaltet.


Acherns Soldatenfrauen


Als die Frau zur Kriegerfrau wurde. Die Bezeichnung Kriegerfrau, also Ehefrauen und alleinstehende Mütter, deren Männer oder Söhne in den Krieg zogen, entwickelte sich erst während der Kriegszeit. Aber die familiären Probleme waren von Anfang an da. Die Männer mussten die Heimat, Familie und Arbeit verlassen und auf der Ehefrau lastete plötzlich allein die wirtschaftliche Verantwortung für Haus, Heim und was die Kinder betraf, insbesondere die Erziehung. Die Männer als Ernährer der Familie fehlten schmerzhaft, sie bekamen auf dem Schlachtfeld keine entsprechende Entlohnung, um an der Heimatfront Frau und Kinder durchzubringen. Für das „Zuhause“ traten Staat und Kommune und es setzte sich ebenso die private Wohlfahrt ein: „Ehrenpflicht der Zurückbleibenden ist es, für die Familien der Hinausziehenden zu sorgen.“

 Anfangs dachten die Acherner Männer nun, der Krieg wäre überschaubar und das sie aus dem Feld bald wieder heimkehren würden. Mit dem Mobilmachungsbefehl in der Hand gingen viele Männer und Väter auf die Sparkasse, zum Vorschussverein oder zum Bankhaus Huber, um für die Abwesenheit zusätzlich bares Geld für Frau und Kinder abzuheben, das dann reichen sollte? Direktor Lott vom Vorschussverein Achern berichtete im Februar 1915, dass in den ersten 2 Wochen nach Kriegsbeginn, bis zum 15. August 1914, circa 250000 Mark an Sparanlagen und Depositen zurückgefordert und die selbstredend ohne erforderliche Kündigung sofort ausgezahlt wurden. Bis zu Jahresende wanderte allerdings einiges Geld wieder zurück. Denn die mit Kriegsbeginn eingeleitete gesetzlich staatliche Familienunterstützung für Soldatenfamilien über die Kommunen linderte die größte Not, half die schlimmsten Alltagsnöte und Sorgen erstmal zu meistern. Die Familienunterstützung betrug anfangs im Sommer 9 Mark und im Winter 12 Mark monatlich für die Ehefrau, für Kinder unter 15 Jahren 6 Mark und wurde im Verlauf des Kriegs erhöht, auch auf uneheliche Kinder ausgedehnt usw. Der ABB machte insbesondere die „niederen Stände der Stadt“ auf Veränderungen in der sozialen Gesetzgebung aufmerksam. Nicht zuletzt fanden viele Soldatenfrauen im Acherner Frauenverein um Berta Schneider Rat und Hilfe bei der Antragstellung. Im Großherzogtum Baden wurden von 1914 bis 1918 insgesamt 246.241.642 Mark an Soldatenfamilien als Reichshilfe ausgezahlt. Doch bald musste auch die reichsgesetzliche Unterstützung durch eine städtische Beihilfe aufgestockt werden.

 Aber auch viele Bürger von Achern, denen es wirtschaftlich gut ging, unterstützten die Kriegerfrauen und ihre Kinder. Der Krieg wurde von Vielen als eine nationale Aufgabe verstanden und die Bereitschaft Einzelnen in Not zu helfen war groß. Für organisierte Sammlungen gaben die Leute Geld für betroffene Familien her. Selbst auf den jährlichen Bildungsvorträgen wie im Januar/Februar 1915 in der Realschule wurde gesammelt, hier kamen bis zum 27. Februar des Jahres 373,32 Mark zusammen (367).

 Im Amtsbezirk Achern entstanden zumindest 1914-1916 für die Frauen auch persönliche Verdienstchancen. In einigen Betrieben der Ortenau konnten Frauen für die fehlenden Männer die Arbeitsplätze einnehmen, wenngleich sie andererseits wegen fehlender Qualifizierung und Berufserfahrung oft Hilfsarbeiten ausführten. Besonders legten die Ehefrauen in den familieneigenen Handwerksbetrieben Hand an und hielten die Unternehmen am Laufen. Per Februar 1915 standen sich in den Arbeitsnachweisstellen Badens bei den männlichen Arbeitskräften 10068 offene Stellen gegen 6919 vermittelten und damit besetzten Stellen gegenüber. „Außerordentlich lebhaft war dann auch wieder die Vermittlungstätigkeit für weibliche Personen“, so der ABB rückwirkend Anfang April 1915 (859). Eine krasse Ausnahme mit sehr hoher Arbeitslosigkeit bot dagegen die Stadt Pforzheim mit ihrer nicht mehr gebrauchten Luxusindustrie (etwa 5400 Unterstützungsbewilligungen bis Ende Januar 1915).

 Die deutsche Gesellschaft erwartete von den Kriegerfrauen noch mehr und vor allem Standhaftigkeit. Man erwartete, dass sie ihre Männer an der Front moralisch unterstützten, dass sie ihnen das Heimweh im Schützengraben nahmen und für ihr Durchhaltevermögen in Schnee und Kälte sorgten, auch im Anblick des Todes direkt nebenan und das war schon Ideologie. Sie, die Frauen, schrieben Feldpostbriefe, Postkarten und schickten Päckchen an die Männer, die Zahl der Feldpostsendungen ist, die Kriegsjahre 1914-14 gerechnet, für das Deutsche Reich auf über 28 Millionen geschätzt. Frauen, denen das Schreiben schwerfiel, bekamen Hilfe von Mitgliedern des Frauenvereins. Was in den privaten und intimen Briefen stand, wissen wir kaum.

 Anfang des Jahres 1915 wurde der gemeinsame Neujahrs-Hirtenbrief der drei deutschen Bischöfe an das katholische Volk des Kaiserreichs auch in der Stadtkirche zu Achern verlesen und mit folgender dreitägiger Sühnefeier der Gläubigen begangen. Der ABB schrieb zur Aufnahme der Botschaft für die „Soldaten und deren Angehörige daheim“ in hiesiger Kirchengemeinde: „Der Ruf zurück zur heiligen Religion ist wahr geworden … Wir haben wieder beten gelernt.“ Einige Soldatenfamilien betraf es besonders hart. Der Acherner Lackierer Ferdinand Vollmer aus dem Infanterieregiment Nr. 113 starb in Sankt Quentin im Januar 1915 im Alter von 36 Jahren an Typhus, er hinterließ eine Ehefrau und vier Kinder.

 Im Februar 1915 bot katholische Stadtkirche Exerxitien-Vorträge an, geistlich Übungen für die religiöse Besinnung und mit Gebet, für Frauen und Jungfrauen, gehalten vom Diözesannkommissar Brucker aus Freiburg jeweils morgens um 6 Uhr und abends 8 Uhr. Die Zeiten waren passend dem Arbeitsalltag der Frauen angepasst.


Zeitung im Krieg


Nach Kriegsausbruch im August mussten bis Mitte November 1914 nicht weniger als 593 Zeitungen oder Zeitschriften in Deutschland endgültig oder vorläufig die Produktion einstellen. Die etwa 66 regionalen Zeitungen, die dem Krieg sofort zum Opfer fielen, waren meist kleine Provinzzeitungen und Lokalblätter darunter ein Kreisblatt. Unter den eingestellten Zeitschriften waren solche für Sport, Theater und besondere Berufszweige, u. a. für Schifffahrt und Kolonialwarenhandel. Natürlich wurden vom Kriegsgott sofort verschlungen feindlich klingende Blätter mit Titeln wie: „Der Russenfreund“, „Rußki“, „Prowodnik“ oder „Paris-Berlin“. Von den vorläufig eingestellten Zeitungen wurden 177 allein in Berlin herausgegeben.

 Noch im Jahr 1914 erreichte das Zeitungssterben auch Baden. Die neue „Konstanzer Abendzeitung“ machte Ende Dezember 1914 Schluss und zum 1. Januar stellte der „Badische Landesbote“ aus Karlsruhe sein Erscheinen ein. Die „Badische Landeszeitung“ schrieb zur Einstellung des Landesboten: „In wenigen deutschen Gewerben hat der Krieg wohl so viele und verhältnismäßig große Opfer gefordert, wie im Zeitungsgewerbe.“ (Jn.1915 867)

  Für die auf dem Markt verbliebenen Zeitungen, für die Redaktionen und Redakteure bedeutete der Krieg eine strenge staatliche Zensur. Die regionale Berichterstattung musste im Ton dem Krieg angemessen sein und vom Inhalt dem Krieg und dem gewollten Sieg dienen. Berichterstattungen und Fotos von den Kriegsschauplätzen kamen alle aus einer Quelle, vom Heereshauptquartier aus Berlin. Eigene badische Kriegsberichterstattung, und die Front lag vor der Haustür, verbot die Oberste Heeresleitung aus kriegstaktischen Gründen, wie es hieß. Deshalb erfuhren die Leute hier nahe an der Westgrenze, und obwohl mitunter das Kanonenfeuer bis nach Achern, Kehl oder Lahr zu hören war und Angst und Schrecken brachte, erst drei bis vier Tage später und damit zeitverzögert von der Einnahme Lüttichs (4.-16. August) oder den ersten Grenzschlachten bei Mülhausen (9. August) oder Lagarde (11. August). In eigener Werbung schrieb der ABB, dass „er sich bemühe seinen Lesern mit größter Beschleunigung, unter möglichster Vermeidung unnötiger Beunruhigungen, ohne Sensationshascherei verbürgte wichtige Nachrichten über die kriegerischen Ereignisse zu bieten.“ Acherns Leser erfuhren oftmals zum selben Zeitpunkt von den westlichen Kriegsereignissen wie die Bürger in Hamburg. Und wenn es in der Zeitung stand, dann gab es Jubel in Achern und Bühl, gehisste Flaggen am Rathaus, schulfrei für Kinder, Siegeseuphorie in der Ortenau.

 Natürlich, die Leute waren in diesen Zeiten besonders für Nachrichten vom Krieg sensibilisiert und interessiert, hing doch von der Kriegsentwicklung das Schicksal der eigenen Männer und Söhne an der Front ab. Die Zeitung widmete den mit dem Eisernen Kreuz oder mit der badischen Verdienstmedaille dekorierten Offiziere und Soldaten eigenen Zeilen und pries ihre Tapferkeit. Ebenso erschienen zu den privaten Todesanzeigen für die Gefallenen, wie es nur irgendwie ging, Kurzinformationen zur Person und eine Würdigung für die für die Heimat Gefallenen.

 Aber auch die Soldaten in den Schützengräben im späteren Stellungskrieg sehnten sich nach aktuellen Zeilen über die Heimat. Der ABB kam mit der Feldpost zu den Mannschaften ins Feld: „In mehreren Hunderten von Feldpostsendungen wandert der Acher- und Bühler Bote alltäglich hinaus ins Schlachtgetümmel, in die Schanzgräben, auf die einsamen Vorposten im Feindesland, zu den Brücken- und Wachkommandos im Heimatland, in die Lazarette usw.“

 Und nicht zuletzt kam das Annoncengeschäft wieder in Gang. Die Handwerke und Gewerbe Acherns unterlagen im Krieg immer wieder neuen Reglementierungen, insbesondere bezüglich der verwendeten Rohstoffe und Materialien, und das hatte man seiner Kundschaft mitzuteilen.

 Nach 10 Monaten Krieg erreichte der ABB eine so hohe Auflage wie nie zuvor: „ Mit einer Auflagenhöhe von 9500 Exemplaren täglich ist unser Blatt das in ganz Mittelbaden verbreiteste.“ In den von Deutschen besetzten Gebieten entstanden bald mit den Feldpostzeitungen einzelner Regimenter oder der Armeen spontan neue Blätter. Im Stellungskrieg hatte der Soldat Zeit und er sollte mit Moral und Propaganda gegen den monotonen Frontalltag aufgebaut und die Kameradschaft gestärkt werden. Aber wohl kaum konnten die in den Kriegsgebieten von aktiv dienenden Redakteuren, Setzern, Druckern produzierten Zeitungen heimatliche Berichterstattung leisten.


 
 

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